Ökonomische (Un)abhängigkeit von Frauen

„Ich bin keine Feministin, weil mein Mann mein Fels in der Brandung ist.“ (Junge AfD, Tagesspiegel)

Von Dr. Carola Ensslen

Aus dem rechtskonservativen Frauenbild lassen sich Gründe ableiten, warum Frauen ökonomisch abhängig sind: Die Rolle als Hausfrau und Mutter – ganz oder teilweise – geht mit ökonomischer Abhängigkeit von Frauen einher. Sie gehen – wenn überhaupt – in weit geringerem Umfang sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nach als Männer. Teilzeitarbeit erschwert den Aufstieg in Führungspositionen. Hinzu kommt, dass das Frauenbild sich auch auf die Berufswahl auswirkt. Frauen wählen häufig typische Frauenberufe, wie Erzieherin, Pflegefachkraft etc. Rollenstereotype und geschlechtsspezifische Zuschreibungen wirken sich immer noch bei der Arbeitsbewertung, Leistungsfeststellung oder Stellenbesetzung aus. Die Folgen sind Benachteiligungen in Form von Entgeltungleichheit zu Lasten von Frauen. Soziale Berufe etwa werden erheblich niedriger entlohnt als typische Männerberufe wie Ingenieur, Bauarbeiter etc. Das ist leider gesellschaftliche Realität und nicht nur Ziel der rechtskonservativen AfD.

Die Faktoren Erwerbsunterbrechung und Teilzeit Gefördert wird die ökonomische Abhängigkeit von Frauen durch familienbedingte Erwerbsunterbrechungen. Immerhin erleichtert die Möglichkeit der Elternzeit mit Elterngeld aber den Wiedereinstieg in den Beruf. Das Elterngeld trägt zu mehr ökonomischer Unabhängigkeit von Frauen bei. 95 Prozent der Frauen in Elternzeit erhalten Elterngeld in der Regel für zwölf Monate, bei den Vätern sind es 27,3 Prozent. 77 Prozent nahmen nur zwei Monate Elternzeit. Mütter erhielten im Schnitt 868 Euro Elterngeld, während Väter 1.204 Euro bekamen. Allerdings sinkt mit der Anzahl der Kinder die Berufstätigkeit der Frauen von 65 Prozent bei einem Kind bis zu 40 Prozent bei vier oder mehr Kindern. Andererseits steigt sie mit dem Alter der Kinder von 26 Prozent bei Kindern bis zu einem Jahr bis zu 77 Prozent bei 11- bis 17-jährigen Kindern.

Berufstätigkeit bedeutet aber selten Vollzeittätigkeit. Jüngeren Statistiken zufolge ist der Anteil berufstätiger Mütter in den letzten zehn Jahren zwar von 62 Prozent auf 68 Prozent gestiegen. Von den erwerbstätigen Müttern arbeiten jedoch 69 Prozent in Teilzeit (zum Vergleich: insgesamt 45 Prozent der erwerbstätigen Frauen arbeiten Teilzeit). Im Schnitt arbeiten sie 27 Wochenstunden (in Westdeutschland 25 Wochenstunden), während Väter durchschnittlich 42 Stunden pro Woche arbeiten. In Ostdeutschland arbeiten Mütter mit 33 Wochenstunden sogar eine Stunde weniger als vor zehn Jahren. 3,4 Millionen Frauen sind ausschließlich in sogenannten Minijobs beschäftigt.

Insgesamt zeigen die Zahlen, dass trotz der Verbesserungen durch Elternzeit und Elterngeld Frauen den Hauptanteil der Familienarbeit leisten – mit ökonomischen Folgen hinsichtlich des Gehalts und damit auch ihrer Altersversorgung. Von ökonomischer Unabhängigkeit sind Frauen weit entfernt. Von den Fortschritten bei Elternzeit und Elterngeld profitieren eher besser qualifizierte und verdienende Frauen.

Die Faktoren Eingruppierung und Einstufung im TVöD Tätigkeiten im sozialen Bereich sind nach wie vor eine Domäne der Frauen. Insofern sind die Tarifauseinandersetzungen in diesem Bereich ein gutes Beispiel dafür, welche Rolle der Faktor Eingruppierung im TVöD spielt. Zum Januar 2015 wurden die Eingruppierungsvorschriften für den Sozial- und Erziehungsdienst im TVöD gekündigt. Gefordert wird zum Beispiel, dass eine Erzieherin mit staatlicher Anerkennung von S6 zu S10 höhergruppiert wird. In der Entgeltstufe 4 bedeutet das eine Anhebung von 2.877,40 Euro auf 3.308,42 Euro. Das entspricht in etwa einer Höhergruppierung in den allgemeinen Entgeltgruppen von 8 auf 9. Im Vergleich dazu werden Beschäftige in der IT-Organisation mit vertieften IT- bzw. Fachkenntnissen, die Fachaufgaben hohen Schwierigkeitsgrades selbstständig bearbeiten, bereits in der Entgeltgruppe 11 eingruppiert. In Entgeltgruppe 9 bedarf es u. a. nur der selbsständigen Bearbeitung von Fachaufgaben mittleren Schwierigkeitsgrades. Leitungen von Kitas mit einer Durchschnittsbelegung von mindestens 40 bis zu 70 Plätzen fallen ebenfalls nur in Entgeltgruppe 9.

Hier spiegelt sich eine weitverbreitete Sichtweise wider, dass – männlich geprägte – Verantwortung für Maschinen, Finanzen und Mitarbeiter*innen oft höher bewertet wird als Verantwortung für Menschen im Rahmen sozialer Tätigkeiten, wie Pflege oder Erziehung. Die Bewertung von Arbeit drückt die Wertschätzung aus, die die Gesellschaft bestimmten Tätigkeiten beimisst. Tarifverträge sind letztlich Ergebnis von gesellschaftlichen Wertvorstellungen und fördern im Ergebnis mit den geringeren Entgelten für Frauen deren ökonomische Abhängigkeit.

Ähnliches gilt für die Entgeltstufen. Im Jahr 2011 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die Stufenlaufzeit im TVöD bei Elternzeit bis zu fünf Jahren gehemmt ist. Das bedeutet für Eltern, in der Regel Mütter, die in Elternzeit gehen, dass sie in der Zwischenzeit nicht am Stufenaufstieg teilnehmen. Während laufender Berufstätigkeit werden Angestellte im Öffentlichen Dienst in regelmäßigen Abständen höher eingestuft. Sie bekommen dann automatisch ein höheres Gehalt. Begründet wird das mit einem Zuwachs an Berufserfahrung. Bei Elternzeit darf diese Höherstufung unterbleiben. Damit wird auch das Gehalt eingefroren. Nach dem BAG stellt dies keine unzulässige Diskriminierung wegen des Geschlechts dar. Während der Elternzeit werde keine zusätzliche Berufserfahrung erworben. Hier zeigt sich deutlich, wie eng und männerspezifisch der Begriff „Berufserfahrung“ zum Nachteil der Entgelte für Frauen ausgelegt wird. Zu fordern ist hier in einem ersten Schritt, dass frauenspezifische Erfahrungen anerkannt werden. Eigentliches Ziel sollte es aber sein, dass diese geschlechtsspezifischen Zuordnungen verschmelzen. Würden Männer im gleichen Maße wie Frauen Familienarbeit übernehmen, dann wäre der Druck erheblich größer, das auch bei den Einstufungen zu berücksichtigen.

Der Faktor Unterhaltsrecht‘
Mit der Reform des Unterhaltsrechts im Jahr 2008 sollten Ehepartner nach Trennung und Scheidung grundsätzlich selbst für ihren Unterhalt sorgen. Die Unterhaltsansprüche wurden stark begrenzt. Es schien so, als orientiere sich der Gesetzgeber am Leitbild der erwerbstätigen Frau, die nicht mehr auf die lebenslange Solidarität ihres Partners angewiesen ist. Wenig Berücksichtigung fand, dass dies zu Härten in den Fällen führte, die noch dem Rollenbild der Hausfrauenehe entsprachen. Denn die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt nach langer Unterbrechung ist schwer. Man kann eben ökonomische Unabhängigkeit nicht dadurch erzwingen, dass Frauen ins kalte Wasser geworfen werden. Deutlich wurde aber, dass ein konservatives Frauenbild zur Armutsfalle werden kann, die häufig auch Kinder betrifft.

Im Jahr 2013 machte der Gesetzgeber dann wiederum eine kleine Rolle rückwärts. Lange Ehedauer, Kindererziehung sowie die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit sollen wieder bei der Billigkeitsabwägung, in welcher Höhe und wie lange Unterhalt zu zahlen ist, berücksichtigt werden. Eine Antwort, die in die falsche Richtung geht. Denn es werden keine Anreize für den Wandel des Frauenbildes und die ökonomische Unabhängigkeit geschaffen.

Grund für diese Irritationen ist die Tatsache, dass es bei der Unterhaltsreform tatsächlich keinesfalls um die Durchsetzung einer partnerschaftlichen Ehe, in der beide Partner gleichermaßen die finanziellen Risiken des Lebens mit Kindern teilen, ging. Es ging auch nicht um die Interessen der Kinder. Vielmehr ging die Neuregelung auf Forderungen der Verbände geschiedener Väter zurück und sollte für Männer das finanzielle Risiko, das mit einer Hausfrauenehe verbunden sein kann, minimieren und das Eingehen einer zweiten Hausfrauenehe erleichtern.

Hält man den Regelungen zugute, dass immerhin ein Anreiz geschaffen wird, drei Jahre nach der Geburt wieder zu arbeiten, so bleibt allerdings die Kritik, dass es keinen Ausgleich für die Doppelbelastung von Frauen und die Nachteile am Arbeitsmarkt gibt. Es wird also keine größere Gerechtigkeit und nur wenig ökonomische Unabhängigkeit bewirkt.

Der Weg aus der ökonomischen Abhängigkeit
Beim Unterhaltsrecht könnte man gleich anknüpfen, um mehr ökonomische Unabhängigkeit von Frauen zu schaffen. Statt ein Leitbild vorzusehen, wonach Mütter drei Jahre ihre Erwerbstätigkeit aufgeben sollten, müssen Anreize für eine gerechte Verteilung von Haus- und Erwerbsarbeit gesetzt werden. Das kann nur gehen, indem für beide Partner Nachteile durch Teilzeitarbeit und möglichen Karriereknick abgefedert werden. Unterhaltsansprüche zwischen Erwachsenen sollten sich am Gedanken des Nachteilsausgleichs orientieren. Die Kosten wären dann im Sinne der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen zu teilen. Bei geteilter Haus- und Erziehungsarbeit bestehen keine Ausgleichspflichten.

Dieser für das Unterhaltsrecht angedachte Nachteilsausgleich zwischen den Partnern kann allerdings nicht die Gehaltseinbußen durch Unterbrechung der Erwerbsarbeit und Teilzeitarbeit kompensieren. Das Elterngeld ist hier ein richtiger Ansatz, geht jedoch nicht weit genug. Solange Männer meistens noch mehr verdienen, muss es Anreize geben, Elternzeit und Teilzeitarbeit zwischen den Partnern gleich aufzuteilen.

In Schweden etwa wird das Doppelverdiener-Modell durch individuelle Besteuerung beider Elternteile gefördert, das Kinderbetreuungssystem ist sehr gut ausgebaut und Müttern und Vätern wird ein einkommensabhängiges Elterngeld gezahlt. Die Elternzeit beträgt 16 Monate und das Elterngeld ist als geschlechtsneutrale Elternversicherung ausgestaltet, die die Verdienstausfälle zu 80% absichert. Trotz dieser Förderung der Geschlechtergerechtigkeit und der Lösung aus überkommenen Rollenmustern übernehmen Väter nur insgesamt ca. 25% der Elternzeit. Statistisch gesehen dürfte es in Schweden noch 26 Jahre dauern, bis die Verantwortung von Vätern und Müttern gleich verteilt ist, wenn es nicht zu einem Rückfallen in traditionelle Geschlechterrollen kommt.

In Frankreich ist der Weg zu ökonomischer Unabhängigkeit von Frauen ein anderer. Es gibt kein Elterngeld, aber eine hervorragende Kinderbetreuung. Die Folge ist, dass 65 Prozent der Mütter mit Kindern unter sechs Jahren Vollzeit arbeiten. Eine Übersetzung für das Wort „Rabenmutter“ gibt es nicht. 62 Prozent der Französinnen denken, dass einjährige Kinder gut außerhalb der Familie betreut werden können, in Deutschland sind es nur 22 Prozent. Aber auch Frankreich schaut auf Deutschlands Elterngeld, sieht sich jedoch finanziell nicht zu dessen Einführung in der Lage.

Der deutsche Weg wird sicher eher in die schwedische Richtung gehen. So hat SPD-Familienministerin Schwesig das Konzept der Familienarbeitszeit ins Spiel gebracht. Staatlichen Lohnausgleich gibt es für maximal drei Jahre, wenn beide Eltern im Anschluss an Elternzeit mit Elterngeld ihre Arbeitszeit auf 80 Prozent, also 30 oder 32 Stunden, reduzieren. Danach besteht ein Anspruch auf Rückkehr in Vollzeitbeschäftigung. Die Gesamtkosten werden zu Beginn auf 140 Millionen Euro jährlich geschätzt – ein moderater Betrag. Das wäre ein Schritt weg vom männlichen Familienernährermodell. Konsequenterweise müsste man in diesem Konzept die Familienpflege berücksichtigen, denn auch hier sind es hauptsächlich Frauen, die diese Aufgabe übernehmen.

Und schließlich kann ökonomische Unabhängigkeit von Frauen nur durch allgemeine arbeitsmarktpolitische Maßnahmen erreicht werden. Hier steht an erster Stelle eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich für alle Arbeitnehmer*innen. Weitere Maßnahmen sind: Ein erleichterter Übergang von Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung, Förderung beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen von Frauen, Förderung von Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Frauen und deren familienfreundliche Ausstattung, Abbau der Hemmnisse beim Berufseinstieg und Wiedereinstieg, Abbau unberechtigter befristeter Verträge, Höherbewertung und -bezahlung „typisch weiblicher“ Tätigkeiten und Einschränkung des Sonderstatus´ von Minijobs. Ökonomische Unabhängigkeit von Frauen ist also eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Vor uns liegt noch ein langer Weg.

carola

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